Vorwelten und Vorzeiten. Archäologie als Spiegel historischen Bewußtseins in der Frühen Neuzeit

Vorwelten und Vorzeiten. Archäologie als Spiegel historischen Bewußtseins in der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Herzog August Bibliothek Leitung: Dietrich Hakelberg und Ingo Wiwjorra (Wolfenbüttel) Gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung
Veranstaltungsort
Bibelsaal in der Bibliotheca Augusta
Ort
Wolfenbüttel
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.11.2007 - 23.11.2007
Website
Von
Bauer, Volker

Lange vor der Institutionalisierung der Archäologie als moderne Wissenschaft bedienten sich frühneuzeitliche Gelehrte bei ihren historisch-landeskundlichen und naturgeschichtlichen Studien auch archäologischer Praktiken.

Hinter der Suche nach archäologischen Funden, dem Ausgraben, Dokumentieren, Publizieren und Sammeln stand die frühneuzeitliche Curiositas. Neben Fossilien und verschiedensten anderen Naturalien dienten auch Münzen und andere archäologische Funde den Gelehrten als Anschauungsmaterial für die Erklärung der Welt. Die wissenschaftliche Rezeption prähistorischer und römischer Artefakte reflektiert nicht nur kultur- und naturhistorische Grundvorstellungen der Gelehrten, sondern gibt darüber hinaus Einblick in ihr religiöses, regionales und nationales Selbstverständnis.

Warum und auf welche Weise die Gelehrten in der Frühen Neuzeit archäologisch tätig wurden, sollen die leitenden Fragen des Arbeitsgesprächs sein. Der kultur- und wissenschaftsgeschichtliche Kontext archäologischer Praktiken muß dabei im Mittelpunkt stehen. Die ideengeschichtlichen Voraussetzungen für den intellektuellen Umgang mit archäologischen Funden und Befunden sollen damit eine größere Aufmerksamkeit erfahren, als dies in der fachinternen ‚Forschungsgeschichte‘ der ur- und frühgeschichtlichen oder provinzialrömischen Archäologie bisher der Fall war.

Inhaltlich ist eine Konzentration auf archäologische Praktiken in den Territorien des Alten Reichs (einschließlich der Schweiz und Preußen) vorgesehen. Die rezeptionsgeschichtliche Perspektive erlaubt jedoch zeitliche Ausgriffe über die Frühe Neuzeit hinaus. Deshalb sind für die Darstellung antiquarischer Traditionen, historiographischer Kontinuität oder Diskontinuität Ausblicke auf das Mittelalter und das 19. Jahrhundert ausdrücklich erwünscht.

Um ein fruchtbares Arbeitsgespräch zu gewährleisten, ist die aktive Teilnahme auf 20 Referenten beschränkt. Es ist vorgesehen, die Vorträge in einem Tagungsband zu publizieren.

vorzeiten@hab.de

Programm

Dienstag, 20. November 2007

Einführungen und Überblicke

14.30 Uhr Dietrich Hakelberg und Ingo Wiwjorra (Wolfenbüttel): Das DFG-Projekt „Archäologische Funde in der Frühen Neuzeit“. Ziele, Ergebnisse, Perspektiven

15.15 Uhr Alain Schnapp (Paris): Antiquare zwischen Naturgeschichte und Kulturgeschichte von der Renaissance bis zur Aufklärung

16.00 Uhr Kaffeepause

16.30 Uhr Cornelia Wollf (Berlin): Die Beschreibung ur- und frühgeschichtlicher Funde in gedruckten Quellen des 15. und 16. Jahrhunderts

17.15 Uhr Helmut Zedelmaier (München): Die Profilierung der vorgeschichtlichen Epoche in der Historiographie der frühen Neuzeit

18.00 Uhr Empfang im Silbersaal des Anna-Vorwerk-Hauses, Schloßplatz 4

Mittwoch, 21. November 2007

Herkommen und Tradition

09.00 Uhr Gerrit Walther (Wuppertal): Profit und Leidenschaft. Motive adligen Interesses für „Antiquitäten“ in der Frühen Neuzeit

09.45 Uhr Hans-Rudolf Meier (Dresden): Frühneuzeitliche Klostergrabungen nach Gräbern und Grüften

10.30 Uhr Kaffeepause

11.00 Uhr Michael Niedermeier (Berlin): Radegast – Odin – Wodan. Die gefälschten mecklenburgischen Bodendenkmäler und inszenierte Herrscherabstammungen im „englischen“ Garten

11.45 Uhr Martin Ott (München): Vor uns die Sintflut? Die vorgeschichtlichen Epochen süddeutscher Stadtgeschichte zwischen historiographischer Konstruktion und archäologischer Empirie

12.30 Uhr Mittagspause

14.00 Uhr Bibliotheksführung

Sammler und Sammlungen

15.00 Uhr Frauke Kreienbrink (Leipzig): Die Sammlung der Leipziger Apothekerfamilie Linck – Zur Geschichte einer frühneuzeitlichen Naturalien- und Kunstkammer

15.45 Uhr Kaffeepause

16.15 Uhr Michal Mencfel (Poznan): Neutralisierung und historische Aneignung. Sammlungen schlesischer Altertumsforscher um 1700

17.00 Uhr Claudia Rütsche (Zürich): Einblicke in die archäologische Sammeltätigkeit einer gelehrten Bürgerschaft im 17. und 18. Jahrhundert am Beispiel der Zürcher Kunstkammer

Donnerstag, 22. November 2007

Ausgräber, Gelehrte, Antiquare

09.00 Uhr Volker Heenes (Berlin): Jacopo Strada – Goldschmied und Maler, Antiken- und Münzhändler, Sammler und Antiquarius Caesareus

09.45 Uhr Harald Bollbuck (Wolfenbüttel): Imitation, Allegorie, Kritik – Antikenfunde bei Martin Opitz

10.30 Uhr Kaffeepause

11.00 Uhr Florian Müller und Florian Schaffenrath (Innsbruck):
Der Tiroler Archäologe Anton Roschmann (1694-1760) und die Ruinen der Römerstadt Aguntum

11.45 Uhr Urs B. Leu (Zürich): Johann Caspar Hagenbuchs Entmythologisierung der schweizerischen Altertumskunde

12.30 Uhr Mittagspause

14.00 Uhr Jan Albert Bakker (Baarn, NL): Johan Picardt, Sweder Schele und Jodokus Hermann Nunningh
und die Vorgeschichte: Archäologie in den östlichen Niederlanden und dem westlichen Deutschland zwischen dem späten 16. und dem frühen 18. Jahrhundert

14.45 Uhr Kaffeepause

Vorzeit in ‚Sage‘ und ‚Volksüberlieferung‘

15.15 Uhr Claudia Liebers (St. Augustin): Archäologische Zeugnisse im Spannungsfeld von Volksüberlieferung, kirchlich-religiösem Weltbild und neuzeitlicher Geschichtsschreibung – Mit Schwerpunkt Nordwestdeutschland

16.00 Uhr Klaus Graf (Neuss): Archäologisches in populären Überlieferungen der Frühen Neuzeit

Freitag, 23. November 2007

Heidnische Vorzeit zwischen Glauben und Wissen

09.00 Uhr Stephan Cartier (Delmenhorst): „Wie die Zeit vergeht“. Archäologie und Prähistorik im Spannungsfeld naturwissenschaftlicher und historiographischer Zeithorizonte des 17. und 18. Jahrhunderts

09.45 Uhr Gerd Dethlefs (Münster): Von der Landesgeschichte zu den Heidengräbern der Vorzeit. Katholische und lutherische Archäologen im Westfalen des frühen 18. Jahrhunderts

10.30 Uhr Kaffeepause

11.00 Uhr Jan Marco Sawilla (Hamburg): Von „Todten-Töpffen und andern Merckwürdigkeiten“. Zur Reflexion heidnischer Bestattungsriten und ihren Überresten in Norddeutschland um 1700

11.45 Uhr Abschlußdiskussion

12.30 Uhr Tagungsende

Kontakt

Dr. Volker Bauer

Herzog August Bibliothek Postfach 1364 38299 Wolfenbüttel

forschung@hab.de